Risikountersuchungen als Entscheidungsgrundlage beim Bau der Landebahn Nordwest  des Flughafens Frankfurt am Main


Am 29. November 2006 teilte FRAPORT (Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens) mit, dass sie die Fa. TICONA für 650 Millionen €  kaufen wolle, um sie zu schließen. Damit fand die Diskussion um die Erweiterung des Flughafens Frankfurt/M., die 1997 begonnen hatte, ein Ende.


Ausgangslage

Grund für die geplante Erweiterung des Frankfurter Flughafens war die Prognose eines Anstiegs des Passagieraufkommens von jährlichen 49 Millionen im Jahr 2000 auf 82,3 Millionen im Jahr 2015, begleitet von einem ähnlichen Anstieg des Frachtvolumens.

Für die Erweiterung waren ursprünglich 20 Varianten betrachtet worden. Aufgrund ökologischer Erwägungen und des Lärmschutzes verblieb zuletzt als Variante für die Erweiterung die Landebahn Nordwest.

Dabei wurde scheinbar vergessen, dass sich in dieser Richtung seit mehr als 40 Jahren das Chemieunternehmen Ticona befand, das mit 900 Beschäftigten und 150 Mitarbeitern von Fremdfirmen Kunststoffe für die Nutzung in Luftfahrt, Autobau, Fernmeldewesen und Medizin herstellt.

Die Anlagen der Ticona belegen ein Gelände von 500000 m2, die nächste Entfernung des Grundstücks zu den vorhandenen Lande- und Abflugbahnen beträgt  3500 m; die niedrigste Überflughöhe 300 – 1000 m.

Nach der Erweiterung des Frankfurter Flughafens um die Landebahn Nordwest betrügen der Abstand 495 m und die geringste Überflughöhe 56 m.

Darüber hinaus befinden sich Benzin und Dieseltanks in einem Abstand von 4350 m. Dieser Abstand würde sich nach der Erweiterung auf 2000 m reduzieren.

Außerdem verlaufen in der Nähe der Anlage Hauptadern von Autobahn und Bundesbahn.


Mögliche Gefährdungen

Flugzeugabsturz und eine Ausweitung der Folgen durch Interaktion mit den Stoffen,  die in der TICONA, einer Störfallanlage, vorhanden sind, stellen die Gefährdung dar.

Im Besonderen geht es um Freisetzungen von Teilen des Inventars oder sogar dem Gesamtinventar, das sich wie folgt zusammensetzt: 1200 kg Bortrifluorid, 740000 kg Formaldehyd, 2100000 kg Methanol, 120000 kg Dioxolan /Methylal, 40000 kg Triethylamin und einer größeren Menge an Ethylen.

Zahlreiche Risikountersuchungen zur umgebungsbedingten Gefahrenquelle ‚Flugzeugabsturz‘ wurden durchgeführt. Eine solche Untersuchung besteht aus zwei Teilen, der Ermittlung der erwarten jährlichen Häufigkeiten für einen Absturz bei der Landung und das Auftreffen auf dass Gelände der Ticona und der Abschätzung des damit verbundenen Schadensausmaßes.

Die durchgeführten Untersuchungen betrafen (vgl. /1/), u.a.


Diese Untersuchungen dienten als Entscheidungsgrundlage sowohl für die unmittelbar Betroffenen, FRAPORT und Ticona, das Regierungspräsidium Darmstadt als Genehmigungsbehörde sowie für zahlreiche Mediationsveranstaltungen unter Bürgerbeteiligung.   


Wegen des großen öffentlichen Interesses wurde die Störfallkommission (SFK) 2003 gebeten, sich diesen Fragestellungen anzunehmen. Dies war ein Ausnahmefall, da die Kommission die Bundesregierung beriet, die Genehmigung aber Angelegenheit des Bundeslandes Hessen war.

Da sich Ticona bereits in der Nähe des Flughafens befindet, hat die SFK  sich auf Grundlage der vorhandenen Untersuchungen mit dem bestehenden und dem Risiko nach der Flughafenerweiterung befasst.


Bestehendes Risiko

Erwartete jährliche Häufigkeit eines Flugzeugabsturzes:


Die SFK schlug vor, die örtliche Lage von Störfallanlagen bei der Festlegung von Flugrouten generell zu berücksichtigen. Bislang ist für die Festlegung von Flugrouten vor allem die mögliche Lärmbelästigung maßgeblich. Darüber hinaus schlug sie vor, die Flugrouten etwas zur Seite und damit weiter weg von der TICONA zu legen. Dazu entschied das Hessische Verfassungsgericht, dass Flugbahnen nicht als Wege im Sinne des §12 der Seveso-Richtlinie zu betrachten sind, da es sich um virtuelle Wege handelt. Deshalb konnte der Vorschlag der SFK nicht umgesetzt werden


Risiko nach der Erweiterung

Normalbetrieb

         Art und Höhe der Belastung                                      Kommentar


Unfallrisiko

Die Ermittlung des Risikos für Dritte infolge eines Flugzeugabsturzes umfasst drei Elemente:

Daraus lässt sich ableiten:


Eine Betrachtung der Absturzhäufigkeiten von Flugzeugen zeigte, dass Landeanflug und Landung ca. 50% zur Gesamtabsturzhäufigkeit beitragen. Ein wesentlicher Schritt zur Bestimmung der Häufigkeit ist die Auswahl von Situationen, die mit der behandelten vergleichbar sind. Kriterien sind dabei:

Die folgenden Werte wurden ermittelt:

Die Unterschiede zwischen den Gutachten sind evident.


Größe der Einwirkungsfläche

Aus statistischen Überlegungen folgt eine Einwirkfläche von 83 m2 pro Tonne Startgewicht.
Das ergibt beispielsweise 31374 m
2 für eine Boeing B 747-300 und 1992 m2 für eine Canadair.

Eine weitere statistische Untersuchung führt auf 200 m2 pro Tonne Gewicht beim Flug und somit 44000 m2 Einwirkfläche für einen Airbus 340-600.

Dabei ist der Dominoeffekt beim Absturz  auf das Gelände der Ticona noch  nicht berücksichtigt.

Als Folgen des Absturzes sind Brand und Trümmerwurf einzubeziehen. Damit ergeben sich dann 100000 m2 betroffene Fläche und die Freisetzung des gesamten Schadstoffinventars.


Gesamtrisiko

Anlage und Gebäude


Personen innerhalb der  Anlage


Personen außerhalb der Anlage
Große Gefahr für 200-300 Personen auf der benachbarten Autobahn


Beschlüsse der Störfallkommission vom 28. Februar 2004 (auszugsweise) /2/


Begründung und Einschätzungen

In den Niederlanden
müsste für den Tod von mehr als 100 Personen eine erwartete jährliche Häufigkeit < 10E-7 gefordert werden.



      Deterministik / Probabilistik


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Stoffe  -  Technik  -  Organisation

Prof. Ursula Stephan  -  Prof. Ulrich Hauptmanns  -  Dr. Jürgen Herrmann


Literatur
1.
www.zukunft-rhein-main.de, zuletzt besucht am 21.02.2014
2.
www.sfk-taa.de/publikationen/press.htm, zuletzt besucht am 24.02.2014


Risikountersuchungen als Entscheidungsgrundlage
beim Bau der Landebahn Nordwest des
Flughafens Frankfurt am Main


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Die im Folgenden dargestellten Beschlüsse der Störfallkommission aus dem Jahre 2004 (Partner von ExpertenNetzwerk Chemikalien-Anlagen-Arbeit Sicherheit waren an  diesen Untersuchungen beteiligt) fußen auf probabilistischen Untersuchungen.

Sie machen deutlich, dass mit einer rein deterministischen Betrachtungsweise bestimmte Risikofragen und Fragen zu  Angemessenen Abständen nicht ohne weiteres beantwortet werden können.

Hierfür kann es vielmehr von großem Vorteil sein, probabilistische Ansätze und Untersuchungsmethoden einzusetzen (mehr zum Thema Deterministik / Probabilistik).


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